Dienstag, 25. Oktober 2011

Dran rumgespielt: RAGE



Um mir eine Meinung über Rage zu bilden, habe ich mir Zeit genommen. Ich bin mit Doom und anderen id-Titeln aufgewachsen und wollte dem Spiel deshalb eine faire Chance geben.
Nach zwei Patches und gut 10 Stunden in der Spielwelt fälle ich nun mein Urteil: John Carmacks Truppe hat  nicht vollständig blamiert...



Die ersten Minuten in Rage beginnen ähnlich wie in Fallout 3: Man stolpert aus einem Bunker in eine postapokalyptische Welt und ist erstmal platt ob der Grafikpracht und der stimmungsvollen Landschaften.
Überhaupt scheint der Aufkauf von id-Software durch Bethesda seine Spuren hinterlassen zu haben:
Inventar, Mutanten, Bomben basteln, Waffen aufrüsten, Quests annehmen - all das kennt man auch aus Fallout. Nur ist es in Rage natürlich viel rudimentärer.
So entsteht bereits in den ersten Stunden der ungute Eindruck, die Designer würden den krampfhaften Spagat zwischen Doom und Fallout versuchen.. der mit einer bösen Leistenzerrung endet.

Versteht mich nicht falsch: Rage macht durchaus Spaß. Gradlinige Shooter-Passagen wechseln sich mit actionreichen Autorennen ab, unterbrochen von Besuchen in stimmungsvollen Siedlungen voller einzigartiger Charaktere.
Dennoch sitzt man ständig vor dem Bildschirm und ist kurz davor, das Spiel für all seine Unzulänglichkeiten anzuschreien. Aber der Reihe nach:

Technik-Check:
Bei einem id-Spiel ist die Grafik die halbe Miete, aber genau hier patzt Rage an vielen Stellen. Die von Carmack entwickelte Engine produziert auch gepatcht am laufenden Band Screen-Tearing (auch bei aktiviertem V-Sync). Texturen laden Sekundenbruchteile zu spät, was zum unschönen Eindruck führt, der Grafikkarte bei der Arbeit zusehen zu können.
Die Charaktere sind dafür über jeden Zweifel erhaben: So liebevoll designte, spleenige NPCs hat man selten gesehen. Aber was hilft das, wenn neben dem Gesicht des Bürgermeisters, auf dem man jede Pore sieht, ein Bücherregal auftaucht, welches aus dem 13 Jahre alten Half Life 1 stammen könnte... (Das ist keine Übertreibung).
Die Bücher rechts hat schon Gordon Freeman gelesen. Auf dem Stuhl saß schon der G-Man (im Spiel noch wesentlich hässlicher)
Auch die Landschaften wechseln zwischen "ohmeingottistdasschön" und "hatjemandgulaschaufdenbildschirmgeschmiert?"

Durchgestylte Langeweile:
In seinen Shooter-Sequenzen ist Rage genau das. Ein Shooter. Allerdings einer, der eindeutig auf Konsolen ausgelegt ist. Die Gegner nehmen mit Vorliebe Deckung und warten auf die Kugeln des Spielers, der in aller Ruhe dasteht und einen nach dem anderen aufs Korn nimmt.
Stressiger Kampf ums überleben war mal (*hust* Quake *hust*). Heute geht es darum, den mit dem Gamepad ringenden Konsolenspieler bloß nicht zu überfordern.
Dabei sollte klar sein: Shooter auf einer Konsole spielen zu wollen, ist wie Suppe mit der Gabel essen.
Den Mangel an Action gleicht man aus, indem selbst ungepanzerte Gegner in Sack und Lumpen ein halbes Magazin aus dem Sturmgewehr direkt ins Gesicht vertragen, als hätten sie Kevlar-Flakes zum Frühstück gehabt.

Auf der Fahrt zu den Einsätzen im aufrüstbaren Buggy begegnen einem mit mathematischer Regelmäßigkeit kleine Gruppen von Banditen-Autos, die man per Minigun und und Raketenwerfer zerlegt. Das ist genau achtmal lustig. Danach fährt man nur nicht gelangweilt an den Jungs vorbei, um das Kopfgeld einzusacken.

Die Fahrzeugkämpfe sind simpel und genau achtmal lustig.
Freeeeeeedom?!?
Besonders sauer bin ich, weil das Spiel mir eine offene Welt vorgaukeln will und dazu nichts besseres zu bieten hat, als mich ständig dieselben engen Canyons abfahren zu lassen. Einmal zum Einsatzort, dann wieder zum Auftraggeber zurück.
Auf jeder Rückfahrt träumt man von der stupiden aber gradlinigen Action eines Doom III.
Aufrüstbare Waffen sind zwar nett und ich mag es, am Inventar herumzubasteln - dumm nur, dass ich kurz vorher Deus Ex: Human Revolution gespielt habe... Natürlich hinkt der Vergleich, aber wenn sich Rage in diesen Gefilden versucht, muss man es auch daran messen. Es versagt.

Nebenmissionen teilen sich in witzige Rennen mit und ohne Waffen, diesen sehr ähnliche Missionen als Postbote und kleinen extra-Aufträgen im Shooter-Format.
Die ersten beiden werden schnell zur Pflichtübung, um an Upgrades und dringend benötigte Munition zu kommen.
Letztere gehen nach dem Schema "Geh zurück in das Level in dem du vorhin schon mal warst mach da irgendwas - nein, wir konnten dir das nicht vorher sagen!".

Mein Fazit:
Rage ist ein sehr gutes Spiel, dem aber unglaublich schnell die Luft ausgeht. Manche mögen behaupten, es liege der an der Erwartungshaltung, die man an Shooter-Papst John Carmack hat.
Ich sage es liegt daran, dass man versucht hat, alle möglichen Elemente in einen Topf zu werfen, unmotiviert umzurühren und das ganze dann durch die beiden Wurstmaschinen X-Box und Playstation zu drehen.
Dementsprechend hier der Rat eines alten Metztgers für John Carmack: "Wurst kann man auch aus Fleisch machen."


Die 3 Pros:
+ Sehr schöne Endzeit-Atmosphäre
+ Großartige NPCs mit toller (englisch) bis akzeptabler (deutsch) Vertonung
+ ein Hauch von Doom

Die 3 Cons:
- Der Trend zum Konsolenspiel hat hier den Shooter des Jahres zur Wurst gemacht
- Manche Texturen sind eine Beleidigung für die Möglichkeiten eines PCs
- Nach einer Stunde Spiel hat man Lust ein Buch zu lesen

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